Doktor Bergwacht in Peking
Hessen/Peking - Die 24. Olympischen Winterspiele fanden vom 4. bis 20. Februar 2022 in Peking statt. Im dortigen Ärzteteam für die FIS war mit dabei Prof. Dr. Volker Lischke aus Frankfurt.
Prof. Dr. Volker Lischke ist Landesarzt in der DRK-Bergwacht Hessen, auf Bundesebene fungiert er als DRK-Bundesarzt sowie Vertreter der Bergwacht im Präsidium des DRK-Generalsekretariates.
Für den RotkreuzImpuls stand er nach seiner Rückkehr für ein paar Antworten zur Verfügung:
1. Sie waren gemeinsam mit elf Ärzten aus Europa im Ärzteteam für die FIS bei den Olympischen Winterspielen in Peking. Wie erhält man eine solche Chance?
Corona bedingt gab bis zur Olympiade noch keine Weltcup-Abfahrten auf den neu angelegten Pisten in Yanqing. Somit fehlten auch jegliche Erfahrungen über die Erfüllbarkeit der von der FIS vorgegebenen Rettungskonzepte bei Weltcupabfahrten bzw. bei der Olympiade durch die lokalen Betreiber der Ski-Patrol (chin. Ski-Patrol) bzw. der lokalen Notärzte auf der Skipiste (chin. Ski-Docs). Deshalb hat die FIS nach erfahrenen internationalen Ski-Docs gesucht, die bereits bei Weltcupabfahrten bzw. Weltmeisterschaften tätig waren.
Die FIS hat gemäß "FIS Medical Guide" einen "Chief of Medical and Rescue Services" für die Olympischen Winterspiel benannt, der für die Rekrutierung der Ski-Docs zuständig ist. Die Anforderungen waren hoch: Man musste sämtliche Corona-Impfungen etc. vorweisen und mit mind. 3 Wochen Abwesenheit aus Deutschland plus einer unklaren Quarantänezeit im Falle eines positiven PCR-Testes rechnen.
Letztlich hat dann der "Chief of Medical and Rescue Services" die Auswahl anhand der notfallmedizinischen und alpintechnischen Qualifikationen durchgeführt. Da ich alle diese alpintechnischen und notfallmedizinischen Voraussetzungen gemäß der FIS erfüllen konnte habe ich die Anstellung als internationaler Ski-Doc beim bzw. vom Organisationskomitee der Winterolympiade in Yanqing erhalten.
2. Was waren ihre Aufgaben vor Ort?
Zusammen mit je zwei qualifizierten Mitarbeitern der internationalen Ski-Patrol, einem chinesischen Ski-Patroler und einem chinesischen Ski-Doc war der internationale Ski-Doc für jeweils einen definierten Abschnitt der Skipiste "The Rock" in Yanqiung für die Versorgung eines gestürzten und verletzten Athleten für die notfallmedizinische Erstversorgung auf der Skipiste sowie den nachfolgenden Abtransport in eine medizinische Versorgungsstation (inklusive Schockraum) im Zielbereich zuständig. Soweit notwendig konnten wir auch jederzeit außerhalb der Skipiste auf einen Motorschlitten zum Transport des Rettungsschlittens, einen Rettungshubschrauber sowie auf ein Pistenfahrzeug mit medizinischer Versorgungskabine zurückgreifen.
3. Sie waren schon als Notarzt bei Ski-Weltmeisterschaften, Weltcup-Abfahrten im Einsatz. Jetzt ging es erstmals zu den olympischen Winterspielen. Was macht eine Olympiade so besonders?
Letztlich sind die Olympischen Spiele (ungeachtet aktueller politischer Diskussionen) für jeden Sportler das größte internationale Sportereignis und jeder Sportler strebt nach einer Olympiamedaille. Dieses Sportereignis aus "nächster Nähe" erleben zu können und im ungünstigsten Fall dem verunfallten Spitzen-Sportler direkt notfallmedizinische Hilfe zukommen zu lassen ist einfach reizvoll.
4. Welche sportliche Leistung hat Sie am meisten beeindruckt?
Leider kann ich die Qualität der sportlichen Leistungen schlecht einschätzen, aber es ist einfach beeindruckend zu erleben, mit welche Präzision Spitzen-Sportler versuchen, die geforderte Leistung zu erbringen auf die sie sich über Jahre vorbereitet haben und dann eventuell doch auf Grund von minimalen technischen Fehlern (oder einfach auf Grund von Pech) scheitern bzw. eine Hundertstelsekunde langsamer sind als der Konkurrent. Hierbei erbringt jeder Sportler (im Rahmen seiner Möglichkeiten) eine Spitzenleistung.
5. Sie haben internationale Erfahrung mit Hilfe: Gibt es weltweit „eine Sprache des Helfens“ oder stellten Sie unterschiedliche Einsatzweisen/Arbeitsweisen fest?
Alle westlichen Rettungssysteme arbeiten mit minimalen kulturellen Unterschieden nach denselben notfallmedizinischen Verfahrensweisen (auch in der alpinen Notfallmedizin). Unsere chinesischen Kollegen haben diesbezüglich noch etwas „Nachbesserungsbedarf“, da sie die Realität der notfallmedizinischen Versorgung zum Beispiel auf einer Skipiste erst seit wenigen Jahren kennen bzw. sich dieser Herausforderung stellen müssen. Aber sie sind auf dem richtigen Weg und zusammen mit internationalem Input konnten wir alle Herausforderungen bei den Alpindisziplinen der Olympischen Wintersspielen meistern.
6. Das Chinesische Rote Kreuz wurde 1912 durch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz als nationale Hilfsgesellschaft anerkannt und ist seitdem eine der ältesten und durchgängig aktivsten Rotkreuzgesellschaften weltweit. Haben Sie Einsätze des Chinesischen Roten Kreuzes im Rahmen der Winterspiele erlebt?
Leider hatte ich keinen Kontakt zum Chinesischen Roten Kreuz, alle chinesischen ärztlichen Kollegen bzw. chinesischen Ski-Patroler waren direkt vom Organisationskomitee der Olympischen Winterspiele angestellt worden.