Vorausschauendes gemeinsames Handeln statt nachgelagerte Reaktion.
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Kontakt
Herr
Dr. Gerd Grimberger
Antizipation
Tel: 0611-7909-139
gerd.grimberger@drk-hessen.de
DRK-Landesverband Hessen e. V.
Abraham-Lincoln-Straße 7
65189 Wiesbaden
„Vorausschauende Katastrophenhilfe“ auf Basis von meteorologischen und hygrologischen Vorhersagen
Von Beginn an sind Geoinformationen und Risikoanalysen elementarer Bestandteil dieser Methodik der Antizipation. Seit 2022 konzipiert das DRK das bundesweite Umsetzen in Form des DRK-Förderprogramms "Antizipation". In diesem Zuge gingen in 2024 die vier Pilotprojekte > Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen und Westfalen-Lippe < an den Start. Die einzelnen Projekte setzen sich unterschiedliche Schwerpunkte. Die Identifikation von Gefahren/Bedrohungen z.B. Starkregen oder Hitzewellen und die Bewertung von Auswirkungen wie z.B. Hochwasser oder Niedrigwasser spiele dabei eine entscheidende Rolle. Diese Projekte sind derzeit in einer frühen Implementierungsphase. Bis Anfang 2026 wird mit belastbaren Ergebnissen wie Handlungsanweisungen und adaptierbaren Risikobehandlungen gerechnet.
Das DRK hat seit 2015 diesen Ansatz in der internationalen, humanitären Hilfe entwickelt und bereits in über 24 Ländern implementiert. Geplant und umgesetzt wird dieser Ansatz neben den nationalen Rotkreuz-Gesellschaften immer mit den lokalen behördlichen Strukturen. Dazu gehören u.A. Wetter- und Hochwasserdienste und die entsprechenden oberen und unteren Zivil- und Katastrophenschutzbehörden.
Zielsetzung des Piloten in Hessen
Ziel des Programms „Antizipation“ ist es, die wichtigsten Gefahren und Bedrohungslagen zu identifizieren und direkt nach einer Bewertung konkrete frühzeitige Maßnahmen abzuleiten. In verschiedenen Frühmaßnahmenprotokollen (FMP) sollen vorausschauende Handlungsempfehlungen zu frühzeitigen Hilfsmaßnahmen vor einer Schadenslage führen (szenariosbasierendes Risikomanagement). In dem Projekt in Hessen liegt der Fokus zudem auf „multiplen Gefahren“ oder dem sogenannten "Klumpenrisiko". Das Zusammenspiel von Extremwetterlagen (starke Niederschläge, plötzliche rapide Luftveränderungen und hohe Temperaturschwankungen) in Folgen des Klimawandels ist dabei das Hauptaugenmerk.
Umsetzen von Antizipation im vorausschauenden Bevölkerungsschutz
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Der Ansatz des vorausschauenden Bevölkerungsschutzes zielt darauf ab, Hilfs- und Schutzmaßnahmen vor einer Katastrophe oder Großschadenslage (z. B. Hochwasser) unter Nutzung von Vorhersagen und Risikodaten umzusetzen. Dadurch sollen Auswirkungen von Naturgefahren im Vorfeld der Katastrophe reduziert werden. Dazu werden Risiken durch Nutzung von Geoinformationssystemen analysiert, mit Wetter-, Pegel- oder Auswirkungsvorhersagen verknüpft und Schwellenwerte für Warnungen festgelegt. Wird ein kritischer Schwellenwert, z.B. ein Wasserstand, für die nächsten Tage vorhergesagt, beginnt die Umsetzung von zuvor festgelegten Schutzmaßnahmen. Darunter fällt bspw. die kurzfristige Verteilung von Decken, Heizgeräten, Trinkwasser und weitere Sofortmaßnahmen der organisationseigenen Einheiten im Bevölkerungsschutz. Diese Maßnahmen werden – vorausschauend - also in dem Zeitfenster zwischen Vorhersage bis zum Eintritt, z.B. eines Hochwassers oder einer Hitzewelle einleitet.
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Den Bestrebungen liegen die internationalen Early Action Protocols (EAP) zugrunde, eine Erfahrung aus dem globalen Anticipation Hub. EAPs sind Handlungsanweisungen, die Rollen und Verantwortlichkeiten festlegen, um bei Erreichen des Schwellenwertes schnell agieren zu können Diese Protokolle (FMP) enthalten frühzeitige Maßnahmen zum Reduzieren der Auswirkungen auf die Bevölkerung. Ziel ist es, Gemeinschaften und humanitäre Hilfskräfte in die Lage zu versetzen, früher zu handeln. So sollen akute und drohende humanitäre Auswirkungen verhindert oder zumindest abgemildert werden, bevor sie sich voll entfalten. Auf internationaler Ebene existieren bereits Protokolle (EAP) für verschiedene Gefahren oder Bedrohungen.
Informationsgewinnung – Grundlage für ein vollumfängliches Krisenmanagement
In dem Projekt arbeiten wir in Hessen mit Partnern zusammen, um eine möglichst effizientes und effektives Informationsmanagement sicherstellen zu können. Zu den Partner zählen Bundesinstitute, Landesämter, Universitäten und private Forschungseinrichtungen.
Hierbei werden folgende initialen Projektschritte durchlaufen:
- Erfassen aller relevanten Quellen - für den Aufbau des Frühmaßnahmen-Protokolls (FMP) inklusive Schnittstellendefinition (manuell, semi-auto, automatisch).
- Schaffen einer belastbaren Datenbasis - durch akkurate Berechnungen und Beseitigung potenzieller Verzerrungsfaktoren.
- Daten nutzbar machen - durch Analyse auf unterschiedlichen Ebenen und die Anwendung von Parametern, Indikatoren, Schwellenwerten
- Verlaufsanalysen zum gezielten Umsetzen künftiger antizipativen Maßnahmen.
Kurzfristige Erfolge und weitere Vorgehensweise
Nach Abschluss der ersten Schritte werden Handlungsempfehlungen abgeleitet. In den vom jeweiligen Landesverband (siehe Pilotprojekte) geleiteten "Base Camps" oder "Thinktanks" können ausgewählte nachgelagerte Pilotgliederungen (Verbandsebene Kreisgebiet) prüfen, ob sie die gemeinsam erarbeiteten Ansätze adaptieren, anpassen oder ändern möchten.
Das bundesweite Pilotprogramm markiert lediglich den Startpunkt einer dauernhaften Beschäftigung mit Antizipation. Gezielt finanzierte Folgeprojekte werden langfristig darauf abzielen, Antizipation personell und methodisch in sämtlichen Arbeitsbereichen des Bevölkerungsschutzes zu verankern. Unter anderem werden etablierte Konzepte und die Komponenten des komplexen Hilfsleistungssystems miteinander verbunden (z.B. Unterstützungskräfte in der Pflege, Inklusion von vulnerablen Gruppen). Ihre Anwendbarkeit in Hinsicht der Antizipation werden somit im DRK überprüft.
Teil unseres Vorhabens ist es auch, einen längerfristigen antizipativen Aktionsplan für das Deutsche Rote Kreuz in Hessen zu entwickeln. Regelmäßige Reflektion in Arbeitsgruppen mit anderen Hilfsorganisationen, teilnehmenden Rotkreuzgliederungen, aber auch die Teilnahme an Veranstaltungen, Kongressen oder Fachtagungen moderiert durch den jeweiligen Landesverband, dienen dem Austausch zu solchen Fragestellungen.